Mein Weg zum Clavierbau, ein Rückblick
Ich war auf dem Musikgymnasium in Wernigerode, wo ich im damaligen Rundfunkjugendchor sang. Wir lebten alle zusammen im Internat, unsere Eltern sahen wir selten. Danach studierte ich vier Semester Musik und Deutsch an der Martin-Luther-Universität in Halle. Mein damaliger Klavierlehrer empfahl mir, die Musikinstrumentensammlung des Händel-Hauses anzusehen. Der Besuch beeindruckte mich so sehr, dass ich wenige Jahre später dorthin zurückkehrte. Während einer Lehre zum Intarsienschneider wurde die Liebe zum Holz geweckt. Ich begann, mich für alle Arten der Holzbearbeitung zu interessieren.
Mit 22 Jahren bekam ich eine Stelle als Restauratorin für Musikinstrumente im Händel-Haus in Halle. Damit verbunden war ein Fernstudium am Deutschen Museum Berlin und später an der Technischen Fachhochschule Berlin mit dem Abschluss 1996 als Diplomrestauratorin für Musikinstrumente (FH).
Diese ersten sieben Jahre im Museum in Halle waren prägend für mich und meine Arbeitsweise. In finanzieller Sicherheit und im Kreise vieler Kollegen lernte ich restaurieren, begann ich mich für die Geschichte des Clavierbaus zu interessieren, lernte ich Claviere zu stimmen, besuchte viele Musikinstrumenten-Museen, knüpfte wichtige Kontakte zu Kollegen in Europa und den USA und führte die ersten Forschungen zu Bartolomeo Cristofori und seinen Instrumenten im Grassi-Museum in Leipzig durch. Cristoforis Hammerflügel und seine Mechanik inspirierten mich so sehr, dass ich begann, eine Kopie zu bauen. Die Jahre im Museum in Halle fielen mit den großen politischen Veränderungen nach der Wiedervereinigung zusammen Ich nutzte die neuen Reisemöglichkeiten für meine unkonventionellen Wanderjahre, aus denen viele Lebensjahre wurden.
Interesse, Offenheit, Wissensdurst und Abenteuerlust führten mich zu Kollegen im In- und Ausland, die mich großherzig für kurze oder längere Zeit bei sich aufnahmen.
So war ich 1993 drei Wochen in der Werkstatt und im Haus von Mimi Waitzman and Donald Mackinnon in London. 1996 weilte ich mit meinem ersten im Bau befindlichen Cristofori-Hammerflügel drei Wochen in der Werkstatt von William Jurgenson in Lauffen/ Neckar und im gleichen Jahr für zwei Monate in der Restaurierungswerkstatt des Musikinstrumenten-Museums in Leipzig. 1997 nahmen mich die drei Italienerinnen Donatella Degiampietro, Antonella Conti und Barbara Mingazini, zusammen mit dem noch zu beendenden Cristofori-Hammerflügel, für ein halbes Jahr in ihrer Restaurierungswerkstatt in der Accademia Bartolomeo Cristofori in Florenz auf, wo im Dezember des gleichen Jahres, anlässlich des dritten Hammerflügel-Workshops (3o Laboratorio del Fortepiano) die Einweihung des Flügels stattfand. In der Cembalobauwerkstatt von Tony Chinnery in Vicchio, nördlich von Florenz, arbeitete ich viele Jahre.
In Italien entwickelte sich neben der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Tony Chinnery eine rege Zusammenarbeit mit der Galleria dell’Accademia. 2001 wurde die Florentiner Musikinstrumenten-Sammlung des Konservatoriums „Luigi Cherubini“ Dank der Initiative der ehemaligen Direktorin der Galleria Franca Falletti (aktiv bis 2013) in zwei neu restaurierten Sälen der Galleria eröffnet. Hier führte ich interessante Restaurierungs- und Kopienprojekte durch und hier wurden Aufgaben an mich herangetragen, die von meinem eigentlichen Berufsprofil abwichen und die mir neue Perspektiven ermöglichten. Dazu gehörten Führungen in der Sammlung und die Organisation einiger CD-Produktionen.
2008 gründete ich meine eigene Firma. Ich gab ihr den Namen ANIMUS CRISTOPHORI (im Geiste Cristoforis).
2015, nach vielen Jahren in Italien, bin ich in meine Heimatstadt Zerbst in Sachsen/ Anhalt zurückgekehrt. Ich freue mich, nun in eigener Werkstatt zu arbeiten.